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COMEDIAN HARMONISTS | Programme | Repertoire

Die Leipziger und ihre Harmonists

Zur Erinnerung an den Start einer Weltkarriere in Leipzig
(Ein journalistischer Beitrag von Tobias Leißner)

Wer kennt nicht "Veronika", den "kleinen, grünen Kaktus" oder den "bestellten Blumentopf"? Spätestens seit Joseph Vilsmeiers erfolgreichem Kinofilm sind sie wieder in aller Munde - die Comedian Harmonists.

Das berühmte Vokalsextett, oft auch die "erste Boygroup der Welt" genannt, überraschte zu Beginn der 30er Jahre das Publikum und die gesamte Musikwelt mit einem völlig neuen Gesangsstil und wurde damit in kürzester Zeit weltberühmt.

Die Geschichte der Comedian Harmonists begann am 18. Dezember 1927 mit einer kleinen, versteckten Annonce im Berliner Lokalanzeiger:
ACHTUNG. SELTEN. Tenor, Baß (Berufssänger, nicht über 25), sehr musikalisch, schönklingende Stimmen, für einzig dastehendes Ensemble unter Angabe der täglich verfügbaren Zeit gesucht.

Auf dieses Inserat hin fanden sich in den folgenden Wochen und Monaten sechs junge Männer zusammen, die später als eines der erfolgreichsten Vokalensembles in die Musikgeschichte eingehen sollten. Nach dem Vorbild der amerikanischen Revelers, einer damals selbst in Deutschland sehr berühmten Gesangsgruppe, versuchten die Sänger und ihr Pianist ein ähnlich erfolgreiches Ensemble aufzubauen.

Doch auch sechs Meister fallen nicht vom Himmel. Es begann eine lange Zeit des Probens und der Einstudierung eines vorerst kleinen Repertoires. Erste Niederlagen und Mißerfolge ließen das junge Ensemble jedoch nicht verzagen. Unaufhörlich wurde mit den Stimmen geprobt und den Klaviertasten experimentiert, außerdem jede Möglichkeit genutzt, sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Der hohe Tenor Ari Leschnikoff's, der weiche, aber durchdringende Baß des Robert Biberti und die harmonischen Mittelstimmen von Erich Collin, Harry Frommermann und Roman Cycowski verbanden sich mit der einfühlsamen, trotzdem bestimmenden Klavierbegleitung des Erwin Bootz zu einem völlig neuen Stil, der sich durch musikalisch-technische Präzision, gepaart mit Witz und Charme, zu einer völlig neuen Gesangqualität entwickelte.

Doch nur die wenigsten wissen, daß die Comedian Harmonists ihren großen Durchbruch in Leipzig feierten. Schon im Dezember 1929 gastierten sie im Leipziger Schauspielhaus in der Sophienstraße und traten als Gäste neben Schauspielern wie Annemarie de Bruyn und Rudolf Schaffganz in Mischa Spoliansky's Revue "Zwei Krawatten" auf, in der sie dem Publikum einige, ins Programm eingepaßte Stücke zu Gehör brachten. In einer Vorankündigung für die Premiere am 27. Dezember 1929 im Schauspielhaus heißt es dazu in der Leipziger Vorschau noch durchaus kritisch:
Zur Mitwirkung ferner herangezogen: die Comedian Harmonmists, die ich nicht eher "Die deutschen Revellers" nennen möchte, als bis sie mich von der Bühne her davon überzeugt haben, daß sie es wirklich mit diesen Zauberkünstlern aufnehmen können. [...] Aufwand genug - möge es sich lohnen!

Daß dieser Aufwand sich gelohnt hatte, dokumentieren die in der Lokalpresse veröffentlichten Rezensionen zur Premiere der Revue. In den Leipziger Neuesten Nachrichten war zu lesen:
Zu dieser Musiksensation kam die andere der Comedian Harmonists, einer famosen Sängergruppe, die als Vokal-Jazzband mit köstlich geschulten Stimmen die Handlung so witzig begleitete und interpretierte, daß Stürme des Beifalls ihr immer neue Zugaben abzwangen.

Auch die Leipziger Zeitung lobte die Gruppe:
Sechs weiße Negerlein geleiten uns durch neue Bühnenwerke deutscher Dichter. Wir vergessen alles andere um ihretwillen, endlose Beifallsstürme folgen jede ihrer Solos, kein Wort des Lobes ist zuviel, sie singen begeisternd schön.

Der unerwartet große Erfolg gab den Sängern Mut, endlich ihr großes Ziel zu verwirklichen: eigene Konzerte fürs eigene Publikum singen. Und schon wenige Wochen später sollte es soweit sein. Am 26. Januar 1930 luden die Comedian Harmonists, vormittags 11.30 Uhr, zu ihrem ersten eigenen und auch völlig ausverkauften Konzert ins Leipziger Schauspielhaus ein. Ein neu zusammengestelltes Konzertprogramm mit dem Titel "Tempo-Varieté".

Dieses Konzert bescherte den Comedian Harmonists den endgültigen Durchbruch und war der Anfang einer Karriere, der das Ensemble in der ganzen Welt bekannt und berühmt machen sollte. Erwin Bootz, der Pianist der Gruppe, erinnert sich später an dieses grandiose Konzert:
Wir erlebten einen Applaus, den wir noch nie erlebt hatten! Und zwar unerwartet. Die Leute haben getrampelt und geschrien.

Ari Leschnikoff, der Erste Tenor, schildert seine Eindrücke so:
Das erste Mal, wie sie klatschen, wie sie toben, diese Schreie vom Publikum - kein Wort! Nur Tränen! Ich hab' geweint, als hätte ich den besten Freund verloren!

Am nächsten Tag war in den Leipziger Neuesten Nachrichten zu lesen:
Sehr oft wird sich das 'Schauspielhaus' die von den 'Zwei Krawatten' her schon rühmlichst bekannten 'Comedian Harmonists' nicht zu einer Varieté-Vorstellung einladen dürfen, sonst wird das Haus in Trümmer gestampft. Diesmal fiel den Besuchern des Parketts schon der Stuck auf die Köpfe, so raste und trampelte das Publikum, das trotz der vormittäglichen Stunde in hellen Haufen gekommen war. Es wollte seine Opfer haben und erzwang sich Wiederholungen.

Auch die Neue Leipziger Zeitung sucht am gleichen Tag nach den Ursachen für die ungeheuere Wirkung:
Wenn man fragt, warum eigentlich die durch Schallplatten überall verbreitete Gesangskunst der Revellers nicht schon früher in Deutschland imitiert wurde, so gibt es nur eine Antwort: Diese Art zu singen stellt die höchsten Anforderungen an die Musikalität und Intelligenz der Ausführenden. Die Comedian Harmonists erfüllen diese Ansprüche restlos. [...] Sie umranken die Melodie mit harmonischem Stimmengeflecht, geben witzige Zwischenrufe, Instrument-Nachahmungen dazu, teilen sich in kontrapunktische Einzelgruppen, in Solisten und kolorierende Begleitsänger, bringen alle erdenklichen rhythmischen und metrischen Variierungen der Melodie - und besorgen alles mit erstaunlicher Sicherheit der Intonation und Exaktheit des Vortrags [...].

Der fulminante Erfolg des ersten Konzertes und die Tatsache des ausverkauften Schauspielhauses ließen die Comedian Harmonists schon kurze Zeit später wieder in Leipzig gastieren. Genau eine Woche später, am 02. Februar 1930, wurde für das Leipziger Publikum, welches den fünf Sängern und ihrem Pianisten schon jetzt zu Füßen lag, eine "Einmalige Wiederholung des Tempo-Varieté" organisiert. Anschließend gastierten die Comedian Harmonists mit diesem Programm ähnlich erfolgreich in weiteren deutschen Städten, darunter Wiesbaden, Magdeburg, Gera und Breslau.

Die Jahre 1930 bis 1932 können wohl als die erfolgreichsten und glücklichsten des Ensembles angesehen werden. In ganz Deutschland und zunehmend auch im europäischen Ausland wurde die Gruppe geschätzt und geliebt. Jeder der sechs Künstler versteuerte in dieser Zeit ein Jahreseinkommen zwischen 40.000 und 60.000 Reichsmark. In heutige Verhältnisse umgerechnet wäre das ein geschätztes Bruttoeinkommen von eineinhalb Millionen EURO. Man kann sagen, daß die Comedian Harmonists die ersten Großverdiener des Show-Geschäftes waren. Doch trotz einer Flut von Konzertangeboten aus dem In- und Ausland kehrten sie immer wieder zu ihrem Leipziger Publikum zurück. Die Konzerte in Leipzig waren "Heimspiele" - weil immer ausverkauft. Der Bassist Robert Biberti erinnert sich:
Später hatten wir in Leipzig noch viele Konzerte, ich weiß nicht, wieviele im Jahr. Sie waren in zwei Stunden ausverkauft. Eine Zeitungsnotitz genügte: ‚Die COMEDIAN HARMONISTS kommen!‘ Keine Reklame, nichts - wir waren sofort ausverkauft.

Regelmäßig konzertierten sie anläßlich der Leipziger Messe im Schauspielhaus, wirkten dort auch im September 1930 in der Spoliansky-Revue "Wie werde ich reich und glücklich?" mit. In einer Rezension im Leipziger Konzert-, Theater- und Verkehrsblatt heißt es:
Willkommen natürlich auch die Comedian-Harmonists, die sich schon fast zur Hauskapelle des Schauspielhauses entwickelt haben - wozu man beiden Teilen, ja allen drei Parteien gratulieren kann: dem Publikum, dem sie gefallen, dem Theater, das seinem Publikum damit gefällt, und schließlich auch den Künstlern - denn man gefällt nicht jedem Publikum.

Am 04. Februar 1931 waren sie erneut in Leipzig bei der Wohltätigkeitsveranstaltung "Funkball" im Zoo zu erleben und erhielten im März des selben Jahres erstmalig ein Engagement im Alten Theater am Richard-Wagner-Platz. Dort waren die Comedian Harmonists erneut so erfolgreich, daß das Engagement auf eine Woche ausgedeht werden mußte, damit möglichst viele Leipziger die Gruppe erleben konnten. Auch diesmal war jedes Konzert restlos ausverkauft.
Die Art, die sie machten, das war was ganz Sympathisches ...

erinnert sich Marie Leniker, geboren 1897 in Leipzig. Sie besuchte ein Konzert der Comedian Harmonists im Alten Theater und ist davon bleibend begeistert:
... interessant war's - schön, mir klingt's noch heute in den Ohren - tatsächlich ...

und weist gleich ausdrücklich darauf hin:
... die können sie nicht nachmachen, nein, nein!

Musikalisch gesehen boten die Comedian Harmonists ihrem Publikum eine Vielfalt von vor allem deutschen Schlagern, Volksliedern und verschiedenen Orchesterimitationen. Neben der oft süffisanten, witzigen Unterhaltungsmusik mit Titeln wie Der Onkel Bumba aus Kalumba tanzt nur Rumba oder Maskenball im Gänsestall erlaubte es dieser Gesangsstil auch einfache Volkslieder in schlichten Sätzen vorzutragen. Eine große Anzahl von Volksliedern wurden in Konzerten dargeboten und auf Schellackplatten verewigt, so zum Beispiel Guter Mond, du gehst so stille oder Am Brunnen vor dem Tore. Besonders erfolgreich waren auch die von den Comedian Harmonists dargebotenen Orchesterimitationen. Teilweise wurden Jazz-Instrumente oder ganze Jazz-Orchester imitiert, beispielsweise Duke Ellingtons Creole Love Call, aber auch Kompositionen aus der Welt der "klassischen" Musik, wie der Ungarische Tanz Nr.5 von Brahms, Boccerinis Menuett oder die, wenn auch etwas gekürzte, Ouvertüre zu Der Barbier von Sevilla von Rossini.

Als die Guppe im Oktober 1931 erneut eine ganze Woche im Alten Theater gastierte, setzte sich mancher Kulturverfechter auch kritisch mit dem ungeheueren Erfolg der Comedian Harmonists auseinander:
Die fünf witzigen Gesellen mit ihrem netten Begleiter sind auf einer ernsthaften Schauspielbühne [...] als beinahe Alleinbeherrscher eines städtischen Schauspielhauses in sieben Abendvorstellungen doch wohl nicht das Richtige.

Doch die Leipziger waren anderer Meinung, sie liebten ihre Harmonists und Leipzigs "ernsthafte Schauspielbühne" war siebenmal ausverkauft.

Bis 1934 führte der Weg der Gruppe regelmäßig nach Leipzig. Ein letztes Mal gastierten sie am 18. Januar 1934 im Zentraltheater. Doch schon wenige Monate später wurden die Konzerte der Comedian Harmonists regelmäßig von den Nationalsozialisten manipuliert oder verboten. Der Grund dafür war, daß drei Mitglieder des Ensembles jüdischer Abstammung waren. Es wurde mit der "Ausmerzung der jüdischen Elemente" aus dem deutschen Kulturleben begonnen. Von der Reichsmusikkammer wurden die Comedian Harmonists am 22. Februar 1935 endgültig verboten.

Doch ihre Melodien leben weiter und werden auch künftig vielen Menschen Freude bereiten.

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